Unter der Sonne Afrikas – der kleine Hund

„Warum gibt es in Deutschland nur Erwachsene, die einen Hund haben? Auf der Straße, im Park – ich sehe keine Kinder mit einem Hund“, fragt Hawi mich eines Tages. Es ist mir bis jetzt gar nicht so aufgefallen, aber er hat recht. Hauptsächlich sieht man Erwachsene bei jedem Wetter mit ihrem Hund draußen und keine Kinder.

„Weißt du“, fährt er fort, „bei uns in Äthiopien wünscht sich jeder Junge einen Hund. Einen Hund zum Umarmen und Streicheln. Einen Hund, der einen durch die endlose Savanne begleitet, einen treuen Weggefährten. Alle Jungs haben irgendwann einen Hund.“ Und dann erfahre ich, dass es viele kleine Schritte auf dem Weg zum Erwachsenwerden gibt. Und ein eigener Hund ist ein Meilenstein dorthin.

Hawis Kindheit spielte sich in der Savanne ab. Seine Eltern sind Nomaden. Lange Wege liebt er auch in Berlin. Wenn er kann, läuft er alles zu Fuß. Ein Leichtathletikverein hat ihn unterdessen aufgenommen, vielleicht wird er mal ein berühmter Marathonläufer. „Oder ein Fußballer. Weißt du, in der Savanne träumen alle von einer Fußball Karriere.“

Hawi ist mit seiner Mutter und Geschwistern nach Berlin gekommen. Sie sind zu siebt. Eine Mutter, die sich mit großem Gottvertrauen auf den gefährlichen Weg nach Deutschland gemacht hat. Für Hawi ist sie „alles“. Nicht nur, weil sie den besten Maisbrei zum Frühstück kochen kann. Jetzt fehlt eigentlich nur noch ein Hund.

Monate vergehen, es ist der letzte Schultag bei uns in der Willkommensklasse. Hawis Mutter Taju kommt zur Schule, um ihren Sohn abzuholen. Im Arm hält sie einen kleinen Hund mit braunem, wuscheligem Fell und weißer Schwanzspitze. Hawi kann kaum glauben, was er sieht. Erst werden seine Augen groß, dann füllen sie sich mit Tränen, als er seine Arme um den kleinen Hund legt und seinen Kopf im weichen Fell vergräbt. Dankbar guckt er seine Mutter an und flüstert: „Ich nenne ihn Tayé.“

Taju nickt und übersetzt in unsere Richtung. „Das bedeutet Der, der hinsieht und nicht wegschaut.“ Wie passend, denke ich.

Hawi hat jetzt einen Beschützer für den nächsten Schritt: Er wechselt in die Grundschule. Wir werden Zeug*innen dieses wichtigen Augenblicks in Hawis Leben. Und für einen Wimpernschlag befinden wir uns unter der Sonne Afrikas inmitten von Berlin.

Unter der Sonne Afrikas - der kleine Hund